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presse - rezensionen

Frederick Douglass: Mein Leben als amerikanischer Sklave. Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Hans-Christian Oeser. Mit einem Nachwort von Hanna Spahn. Stuttgart: Reclam, 2022.

 

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Nicht nur in Talkshows und Parteien, auch in Verlagen ist man bemüht, divers zu sein oder es zu werden. (...)

      In den kleingedruckten Anmerkungen erfährt man ein bisschen über die Situation, über einzelne Abolitionisten, über Schleuser und Netzwerke von (weißen) Gegnern der Sklaverei. In dem Nachwort von Hannah Spahn geht es primär um das Genre und Erzählstrategien “im Spannungsfeld von Leben und Schreiben”. Man erfährt, dass dieses “potenziell lukrative Genre immer wieder auch Weiße dazu verleitete, sich als entflohene Sklaven auszugeben”, dass literarische Strategien nötig waren, um authentisch zu sein, und Douglass seine Redegewandtheit verstecken sollte. Schön und gut, aber ein bisschen Geschichte des Abolitionismus, der Kämpfe vor und im Bürgerkrieg zwischen dem Norden und dem Süden, die Arbeit auf den Plantagen, die Rolle religiöser Gruppen, eventuell als Einleitung, hätte dem Verständnis gut getan. Vor dem Nachwort wurde das Vorwort der Erstausgabe von 1845 abgedruckt. Es findet sich eine Anmerkung zum Wort Rasse in Anführungszeichen, und das N-Wort wird mit Pünktchen als “N….” ersetzt. (Es wird nicht das Wort "Nigger" durch "N…." mit Pünktchen ersetzt, vielmehr folgt die Übersetzung mit "v--------n N-----n" haargenau dem Original, ebenso bei der Schreibung "v-------e S------e" für "verdammte Schlampe", Anm. d. Übs.)

      Es gäbe für eine neue deutsche Ausgabe noch mehr zu sagen. Dass er die Frauenbewegung unterstützt und für den Dialog über rassische und ideologische Grenzen hinaus gestritten, sogar das Gespräch mit Sklavenhaltern befürwortet hat. Nicht in dem neuen Band erwähnt wird, dass der Lamuv-Verlag schon 1991 Douglass‘ Biographie auf deutsch herausgebracht hat, und erst recht nicht, dass die Hamburgerin Ottilie Assing unter dem Titel “Sklaverei und Freiheit” seine Biographie 1860 ins Deutsche übersetzt hatte. Ottilie Assing war eine Nichte von Karl August Varnhagen, dem Ehemann und Nachlassverwalter der berühmten “Rahel”, die in der hiesigen Anti-Rassismusdiskussion einen nicht superkanonischen, aber wichtigen Platz hält. Assing war viele Jahre lang mit Frederick Douglass eng befreundet, sie hat ihn, als er gesucht wurde, versteckt und hat für das Cotta’sche “Morgenblatt für gebildete Stände” über ihn und die Anti-Sklavenbewegung berichtet, auch das könnte einen Bogen schlagen von der langen Geschichte des Rassismus in den USA zu mutigen klugen deutschen Frauen des 19. Jahrhunderts, einstigen und heutigen Kämpfen um Emanzipation, seien es PoC, Frauen, LCBTs oder schwarzhaarige Neubürger in Europa.

      Das wieder abgedruckte Vorwort von 1845, geschrieben von einem der wichtigsten Kämpfer gegen Sklaverei (W. M. Lloyd Garrison) kann diesen Mangel nicht ersetzen. Der Band hinterlässt den faulen (!) Geschmack, dass hier schnell mal, wie es die derzeitige politische Korrektheit gebietet, ein Buch mit N…-Bezug  erscheinen musste. 

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(Hazel Rosenstrauch, CrimeMag, 1. März 2022)

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Die Literatur über ihn ist gewaltig. Immer noch ein guter Einstieg ist seine erste Autobiografie, der 1841 veröffentlichte Entrechtungsrapport Narrative of the Life of Frederick Douglass, an American Slave, Written by Himself. Hans-Christian Oeser hat den Text neu und gut ins Deutsche übersetzt. Ein Nachwort dem Rapport beizugeben ist eine sinnreiche Verlagsidee. Der Essay der Potsdamer Amerikanistin Hannah Spahn allerdings ist zwar informiert, jedoch zu gerafft aktuelle akademische Debatten über "race" und Rassismus wiedergebend und zu wenig biografischen Zeithintergrund bietend.

 

(Alexander Kluy, Der Standard, 15. August 2022)

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