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presse : interviews

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Vladimir Balzer

An den Grenzen der deutschen Sprache

Bedeutendster Übersetzerpreis für Hans-Christian Oeser
 

 

Hans-Christian Oeser ist mit dem bedeutendsten Preis der Branche, dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW, ausgezeichnet worden. Er vermutet, die Jury habe seine Dialekt-Erfindung bei der Übertragung des Originals honoriert.

      Die Vorlage der preisgekrönten Übersetzung von Hans-Christian Oeser ist der Roman „Tage ohne Ende“ des irischen Schriftstellers Sebastian Barry. Darin schildert Barry die Geschichte eines Iren, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts vor der Hungersnot in seiner Heimat in die USA auswandert. Der mit 25.000 Euro dotierte Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW in Kooperation mit dem Europäischen Übersetzer-Kollegium in Straelen ehrt gleichzeitig auch Oesers übersetzerisches Lebenswerk.

    Für ihn bedeute der Preis aus Nordrhein-Westfalen verschiedenes, erläutert Oeser. Und da müsse man unterscheiden zwischen dem moralischen und dem materiellen Aspekt: „Ersterer bedeutet natürlich Anerkennung, und zwar indirekt gesellschaftliche Anerkennung. Er bedeutet einen ungeheuren Antrieb und Auftrieb und Ansporn, fortzufahren in dieser Berufstätigkeit, die ich ja nun seit 35 Jahren ausübe.“ Außerdem komme „ein unverhoffter Geldsegen dazu, der auch auf längere Sicht die Existenz sichern hilft“. Das sei bei Übersetzern eine ganz wichtige Frage, betont Oeser.

Geringe Bezahlung

 

Die Honorare für Übersetzungen seien schon immer niedrig, das Realeinkommen stagniere seit Jahren. Nach Petitionen gebe es allerdings mittlerweile auch Übersetzernamen auf  Buchtiteln und Erfolgsbeteiligungen. Trotzdem müssten viele Übersetzer noch anderen Tätigkeiten nachgehen: „Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich schon seit vielen Jahren, ohne weitere Erwerbstätigkeit, diesem Beruf nachgehen kann.“

      Im Moment habe sich sein Alltag wenig geändert, die Arbeit aus dem Homeoffice sei typisch, erklärt Oeser. Die Coronakrise könnte für ihn und seine Kollegen allerdings später zur Krise werden: wenn sich im Herbst die wirtschaftlichen Folgen bemerkbar machen könnten und möglicherweise weniger Übersetzungen anfielen, weil Verlage ihre Programme dann verschlankten müssten.

Komplizierte Vorlage


Die Herausforderung zur Übersetzung von Sebastian Barrys Roman habe in der Sprache der Vorlage gelegen, mit einem eigenwilligem Englisch als Mischung aus dem Irischen und Amerikanischen.

      „Das Ganze wird eine Art Melange à la Barry“, sagt Oeser. Er habe eine ganz eigene Sprache. „Die besteht eben darin, einmal einen ganz einfachen Menschen, einen ungebildeten, ungeschulten Menschen sprechen zu lassen, ihm aber gleichzeitig hochpoetische Bilder in den Mund zu legen.“ Das finde sich in allen Romanen Barrys. „Deswegen dachte ich auch anfangs, ich würde scheitern, weil ich erstens sozusagen an meine persönlichen Grenzen als Übersetzer stoße, nämlich dass ich Dinge wie Slang im Deutschen nicht zur Verfügung habe. Zum anderen aber stößt man auch an die Grenzen der deutschen Sprache oder zumindest der deutschen Literatursprache.“

      Als „Wortwörtlichkeits-Fanatiker“ müsse er auch seiner Lektorin Claudia Glenewinkel danken: „Sie hat gesagt: ‚Lös dich, erfinde einen eigenen Sound und lass Barry dahinfahren.‘ Und so scheint offenbar zumindest etwas entstanden zu sein, was jetzt für preiswürdig befunden wurde.“

(FAZIT, Deutschlandfunk Kultur, 6. April 2020)

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