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presse - rezensionen

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Brendan Behan: Frau ohne Rang und Namen. Herausgegeben, aus dem Englischen und Irischen übersetzt und mit einem Nachwort von Hans-Christian Oeser. Berlin: Wagenbach, 2023.

 

Zum 100. Geburtstag von Brendan Behan (1923-1964) lese ich dieses bei Wagenbach gerade erscheinende Buch und bin ja sofort begeistert. Vom Stil, von den alten Tanten, dem jungen Erzähler, vom Schafskopf, der aus dem Fenster fliegt. Das Buch verschluckt so schön die Gegenwart. Der Dubliner Arbeiterklasse gab Behan mit "Warmherzigkeit, Wortwitz, Galgenhumor und respektloser Weltsicht eine literarische Stimme", schreibt Herausgeber Hans-Christian Oeser. Als Dramatiker hatte er wohl auch zu Zadeks Zeiten hierzulande große Zeiten. "Ulk ist die einzige wirksame Polemik." Vielleicht wird er wieder entdeckt ...?

(Katharina Schmitz, 2. Februar 2023)

Behan erzählt davon in der Geschichte mit dem anspielungsreichen Titel „Wiedersehen mit Bridewell“, die nun in einem Band mit kurzer Prosa bei Wagenbach erschienen ist: „Frau ohne Rang und Namen“, übersetzt von Hans Christian Oeser. Darin ist dieser musikalisch schnoddrige, warme, verschmitzte und ungehobelte Ton zu hören, der ihn berühmt machen sollte. (...)

      Er sei ein Säufer mit Schreibproblemen, hat Behan einmal von sich gesagt. Die nun erschienenen Erzählungen und das Romanfragment in „Frau ohne Rang und Namen“ lassen ahnen, was das bedeuten könnte: Es sind großartige Texte, das literarische Potential ist immens, und man fragt sich bedauernd, was Behan aus diesem Talent noch alles hätte machen können, hätte er an ein paar Flaschen Whiskey einfach vorbeigehen können. (...)

      Oeser, der den Band hervorragend kommentiert, weist darauf hin, dass der Ton der „Hinrichtung“ sehr viel karger und konzentrierter ist, fast von Hemingwayscher Lakonie. In der Tat zeichnet die anderen Geschichten eine fulminante Verspieltheit aus: Groteske Kindheitserinnerungen aus dem proletarischen Dublin der 1920er Jahre, Schnurren aus der Untersuchungshaft, das Fragment eines Gesellschaftsromans – all das glänzt durch Wortwitz und Sarkasmus, in dem aber auch Zärtlichkeit für die Figuren zu spüren ist. Und eine große Sensibilität für erzählerischen Rhythmus. Manchmal klingt das fast so, als unterhielte Behan in einem Pub die Runde. In seinen letzten
Lebensjahren, als er kaum noch schrieb und seinen Ehrgeiz ganz aufs Trinken richtete, dürfte es genau so gewesen sein.

 

(Ulrich Rüdenauer, Badische Zeitung, 9. Februar 2023)

Oh, was hätte da noch alles erscheinen können, wenn Brendan Behan nicht schon mit knapp über 40 Jahren gestorben wäre. War er doch der literarische Star der damaligen Zeit, und viele seiner Bücher sind auch ins Deutsche übersetzt worden. Jetzt also ein Leinenbändchen zum 100. mit Erzählungen, die nur so strotzen vom prallen Leben der Arbeiterklasse. Hier wird gestritten und gesoffen, und die Texte sind gespickt mit Liedern und Redewendungen und voller Respektlosigkeit gegenüber der Obrigkeit. Und wenn die Großmutter wieder aus dem Altersheim (recte: Hospiz) abgeholt werden muss, weil sie dort schwer angetrunken abgeliefert worden ist, dann macht das auch nichts. Sie stirbt dann friedlich daheim.

      Vielen Dank an den Wagenbach Verlag und allen Leser:innen viel Vergnügen bei der Lektüre.

      Vielleicht sollten Sie sich doch vorher noch n Bierchen, oder besser noch, einen Whisky eingießen.

      Das Nachwort des Übersetzers Hans-Christian Oeser ist so erhellend und erfrischend, dass ich es hier abdrucke, mit der freundlichen Genehmigung des Wagenbach Verlages.

(Samy Wiltschek, Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm, 9. Februar 2023)

Was daneben an kleiner funkelnder Prosa entstand, passt in einen schmalen Band, und ebendiesen hat Hans-Christian Oeser nun im Wagenbach Verlag herausgegeben, ein Geburtstagsgeschenk für einen der ganz großen Trinker, ja Todsäufer der Weltliteratur. (...)

      Aber mit dem anämischen Begriff 'Autofiktion' wäre das nur unzureichend erfasst, denn für das persönliche Schicksal des Helden hat der Autor nicht viel übrig. Vielmehr klingt ein uralter Erzählton durch, etwas Heldenepisches, dampfend und rhythmisch. Wie in volkstümlichen Traditionals geht es auch in diesem beschwingten Kneipengesang ums Profunde, um den einen Schritt, der uns vom Tod trennt und in dem alle Liebe, Schönheit, Gewalt und Treue liegt.

(Ulrich Jungen, Deutschlandfunk, 9. Februar 2023)

Herausgeber und Übersetzer Hans-Christian Oeser fasst Behans Bedeutung im Nachwort wunderbar zusammen: "Er verlieh der Dubliner Arbeiterklasse mit Warmherzigkeit, Wortwitz, Galgenhumor und respektloser Weltsicht einer literarische Stimme."


(Maria Leitner, Buchkultur. Das internationale Buchmagazin, Nr. 206/2023)

 

 

Von dieser Zeit handelt sein autofiktionaler Roman „Borstal Boy“, der allein schon ausreichen würde, um eine Feier zum 100. Geburtstag Behans zu rechtfertigen. „Borstal Boy“, benannt nach dem Slangwort für solche Institutionen, war eine ganz Zeit lang das einzige auf Deutsch lieferbare Buch Behans. Nicht einmal mehr der Kriminalroman „Der Spanner“ ist noch in einem aktuellen Verlagsprogramm. Nun ist zum Geburtstag immerhin eine Sammlung von Kurzprosa bei Wagenbach dazugekommen: „Frau ohne Rang und Namen.“ Es scheint, als müsste Behan wiederentdeckt werden.

(Matthias Heine, Die Welt, 9. Februar 2023)

In diesem Jahr wäre Brendan Behan einhundert geworden. Allerdings ist er bereits 1964 verstorben und hat dennoch einen epochalen Eindruck in der irischen Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts hinterlassen.

Nun liegen in dieser schönen Salto-Ausgabe seine sämtlichen Erzählungen in deutscher Sprache vor. Es sind nur neun Geschichten, aber jede einzelne lohnt sich, wenn man einen Eindruck vom irischen Leben der viel beschworenen Arbeiterklasse erhalten möchte.

Die hervorragenden Übersetzungen hat Hans-Christian Oeser angefertigt, der auch ein kurzes und informatives Nachwort liefert, aus dem dieses Zitat stammt: "Für Brendan Behan (1923-1964), den notorischen Sauf- und Raufbold mit der empfindsamen Seele, ist 'Erzähler' kein hinreichender Begriff. Er war ein begnadeter Raconteur, mündlich wie schriftlich, in seinem Leben wie in seinem Werk."

(Büro für Bücher, www.buerofuerbuecher.de, 2023)

Die Anmerkungen waren sehr hilfreich, da mein Wissen über die irische Geschichte doch eher begrenzt ist. Mit den Anmerkungen habe ich etwas mehr über Irland gelernt und konnte das Gelesene in den richtigen Kontext setzen.

(Lesefreude, Amazon-Kundenrezension, 28. Februar 2023)

Was deutsche Ausgaben seiner Werke angeht, ist es in den vergangenen Jahrzehnten um Behan allerdings still geworden. 2019 wurde Curt Meyer-Clasons Übersetzung von „Borstal Boy“ bei KiWi wiederaufgelegt. Der in erster Linie als Dramatiker Bekannte (in den Sechzigerjahren auch in Deutschland) ist in Vergessenheit geraten, erst recht als Prosa-Autor. Das kann empören angesichts der vorliegenden Sammlung: Sie zeigt, in bestechender Übersetzung von Hans-Christian Oeser, Behans nicht nur von Sprengstoff handelnde, sondern oft wie Sprengstoff wirkende Mischung aus Drastik und Lyrismen, aus Humor und Hardboiled-Sound: „Die Briten hatten zwei Iren, allerdings nicht die Richtigen, verhaftet und aufgehängt.“

      (…) Inspiriert von der Ansicht Norman Mailers, Behan habe gewusst, „dass er den Tod in sich trug“, vermutet Hans-Christian Oeser in seinem Nachwort: „Vielleicht war das unablässige Reden und Singen, für das Behan bekannt und berühmt war, immer auch ein Anreden und Ansingen gegen den Tod.“ Besonders drastisch setzt Behan sich mit diesem in der, wie auch Oeser anmerkt, an Brechts „Maßnahme“ erinnernden Erzählung „Die Hinrichtung“ auseinander. In äußerster Lakonie und mit einem erschütternden Schluss beschreibt sie, wie IRA-Mitglieder einen Kameraden ermorden, der sie verraten hat. So meisterlich die Kurzprosa ist, es bleibt bedauerlich, dass Behan einen Roman mit dem Titel „Die Katakomben“, hier im Fragment abgedruckt, nicht mehr abschließen konnte.

(Jan Wiele, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. April 2023)
 

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