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Stefanie Richter
Die Kunst zu leben
Hans-Christian Oeser, 56, Übersetzer aus Deutschland
Foto: Patrick Bolder
Felsenfest überzeugt: Die Emigration war richtig. 2003 ist Oeser, hier in der Nähe der Dublin Bay, zum Ehrenmitglied des Irischen Übersetzerverbands ernannt worden, und zwar auf Lebenszeit.
Mitunter fragen mich Kollegen, wie das überhaupt gehen soll: seit 26 Jahren ins Deutsche zu übersetzen, ohne tagtäglich von seiner Muttersprache und der Kultur des eigenen Landes umgeben zu sein. Und in der Tat stelle ich fest, dass ich mich, wenn ich heute in Deutschland an Seminaren und Konferenzen teilnehme oder auf Lesungen gehe, sprachlich und kulturell viel besser aufgehoben fühle als in Irland. Je älter ich werde, desto größer wird mein Bedürfnis, die Verbindung nach Hause zu stärken.
Aber damals wollten wir weg aus Berlin, meine Frau Barbara und ich. Deshalb nahm ich eine Stelle als Lektor des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Dublin an. Drei Jahre später, nach Ablauf meines Vertrags, bewarb ich mich an Universitäten, bei Zeitungen, an Schulen, in Verlagen. Aber nichts davon klappte. Das war Anfang der achtziger Jahre, die besonders hier in Irland mit Armut, Arbeitslosigkeit, Inflation, Emigration verbunden waren. So begann ich auf eigene Faust mit dem literarischen Übersetzen.
Das Schöne am Übersetzen ist, dass die Abwechslung dem Beruf eingeschrieben ist. Ich kann irische, englische oder amerikanische Literatur bearbeiten; und das in den unterschiedlichsten Genres. Sogar bei uns zu Hause finden ständig Übersetzungshandlungen statt: Meine Frau ist Engländerin, unsere beiden Kinder sind in Irland geboren. Sie empfinden sich in erster Linie als Iren, obwohl sie die deutsche Schule in Dublin besucht haben. Wenn ich etwas auf Deutsch zu ihnen sage, wird meist auf Englisch geantwortet.
Dafür, dass Irland so klein ist, hat sich ein ziemlich großer Literaturmarkt entwickelt. Ich glaube, das hat viel mit der Steuerbefreiung für künstlerische Tätigkeiten zu tun, die 1969 eingeführt wurde. Seit 1996 fällt übrigens auch das Übersetzen unter das Gesetz, nachdem ich im Auftrag des Irischen Übersetzer-verbands eine Ein-Mann-Kampagne gestartet hatte. Ich konnte beweisen, dass wir die erforderlichen drei Kriterien erfüllen, also dass Übersetzen eine kreative Tätigkeit ist, dass es große kulturelle Verdienste hat und, das Wichtigste, dass es Originalwerke und keine bloßen Kopien sind, die dabei produziert werden. Allerdings liegt in Irland der Anteil übersetzter Literatur nur bei höchstens zwei Prozent der jährlichen Buchproduktion. Es gibt so wenige literarische Übersetzer im Land, dass ich wahrscheinlich einer von nur vielleicht fünf Menschen bin, die in unserem Beruf überhaupt von der Steuerbefreiung profitieren.
(Geo Special Irland, Nr. 2, April/Mai 2007, S. 45)