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F. Scott Fitzgerald: Der große Gatsby. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Hans-Christian Oeser. Anmerkungen und Nachwort von Susanne Lenz. Stuttgart: Reclam, 2012.
Niemand ahnte, dass "Gatsby" sich schon kurz darauf in den Jahrhundertklassiker der amerikanischen Literatur verwandeln würde. Die erste deutsche Übersetzung war 1928 erschienen, die zweite, von Walter Schürenberg, folgte 1953 und blieb die nächsten fünfzig Jahre der maßgebliche Text. Dann warfen sich plötzlich vier Verlage in den Wettbewerb um die attraktivste Neufassung. Schon 2006 legte Bettina Abarbanell bei Diogenes die erste Neuübersetzung vor. (Der Unterzeichnete hatte das Vergnügen, dazu ein Nachwort beizusteuern.) Letztes Frühjahr erschien bei dtv "Der große Gatsby" in der Version von Lutz-W. Wolff, in wenigen Tagen folgt der neue "Gatsby" von Reinhard Kaiser (Insel), und für nächsten Januar ist beim Reclam Verlag die Übersetzung von Hans-Christian Oeser angekündigt: renommierte Namen im Wettbewerb um ein neues Publikum.
(Paul Ingendaay, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Oktober 2011)
Im deutschen Sprachraum war «Gatsby» neben einer schwer greifbaren Fassung von Maria Lazar (1928) lange in der Version von Walter Schürenberg (1953) bekannt, die der Diogenes-Verlag 2006 durch eine Übersetzung von Bettina Abarbanell ersetzte. Als Ende 2010 Fitzgeralds Werke gemeinfrei wurden, brachten mehrere Verlage dessen bekanntesten Roman in neuem Sprachgewand heraus. Damit hat das Publikum die Wahl aus fünf lieferbaren Übersetzungen. Wer editorischen Mehrwert schätzt, liest zwischen den Übersetzungen von Lutz-W. Wolff (dtv, 2011), Reinhard Kaiser (Insel, 2012) und Hans-Christian Oeser (Reclam, 2012) aus: Alle weisen wertvolle Anmerkungen zum Text sowie ein Nachwort auf. Die Reclam- und Insel-Ausgaben basieren auf der massgeblichen textkritischen «Cambridge-Edition» von «Gatsby». Bei der Übersetzungsvielfalt liegt die Versuchung nahe, den vergleichenden Blick zuerst auf den berühmten letzten Satz des Romans zu werfen. In Fitzgeralds typischer sprachlicher Eleganz und Ökonomie fasst er die ganze Melancholie in wenigen Worten zusammen: «So we beat on, boats against the current, borne back ceaselessly into the past.» Ohne Nachahmung bleibt Schürenbergs gelungener Versuch, die Alliteration ins Deutsche zu tragen: «So regen wir die Ruder, stemmen uns gegen den Strom – und treiben doch stetig zurück, dem Vergangenen zu.» Dafür trifft Hans-Christian Oeser das sparsame Nebeneinander der Satzglieder ohne erklärende Adverbien meisterhaft: «So kämpfen wir uns voran, Boote gegen die Strömung, unablässig zurückgetragen, der Vergangenheit zu.» Oeser ist der Einzige, der Gatsbys eigenwillige Anrede «old sport» mit «alter Sportsfreund» übersetzt statt mit «alter Junge» oder «alter Knabe». So unterscheidet sich Gatsby auch auf Deutsch sprachlich von seinem Gegenspieler Tom, der Männer gelegentlich mit «old man» betitelt. (...) Selbst wenn die in Leinen gebundene oder als Taschenbuch erhältliche Reclam-Übersetzung am meisten überzeugt, erfüllen auch die anderen sorgfältig edierten Ausgaben ihren Zweck.
(Thomas Hermann, Neue Zürcher Zeitung, 21. September 2013)
Wer das Penguin-Englisch scheut, ist gut bedient mit Hans-Christian Oesers spritziger Neuübersetzung für Reclam. Das gelbe Heftchen ist so billig, dass das Geld noch für eine Vintage-Schale Champagner reicht, Moët & Chandon, wie ihn Mr. Gatsby mag.
(Christine Richard, Basler Zeitung, 22. Mai 2013)