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presse - artikel

Andreas Laich

 

Hans-Christian Oeser als 57. Hesse-Stipendiat in Calw vorgestellt

Übersetzen zum Traumberuf geworden



Das Übersetzen sei, bei allen finanziellen Unsicherheiten und Abgabezwängen, längst zu seinem Traumberuf geworden, bekennt Hans-Christian Oeser. In der Sparkassen-Kundenhalle wurde der 57. Stipendiat der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung jetzt dem literaturinteressierten Publikum vorgestellt. Humorvoll und eloquent berichtete der gebürtige Wiesbadener im Gespräch mit Tobias Scheffel von seinem „Eintauchen in fremde Welten“, aber auch von der „ständigen Hetze“, unter der alle Übersetzer leiden.

      Sparkassenchef Stephan Scholl konnte in seiner Begrüßung sogar eine königliche Hoheit begrüßen: den Kuratoriums-Vorsitzenden der Hesse-Stiftung, Friedrich Herzog von Württemberg. Das Haus Württemberg habe bekanntlich entscheidend zur Stiftungsgründung beigetragen, erinnerte Dr. Andreas Narr. Der Vorsitzende der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung legte den Besuchern die informative Homepage des Stipendiaten ans Herz. Und er äußerte Vorfreude auf dessen Text über seinen Calw-Aufenthalt, schließlich brauche die 2010 erschienene Anthologie der Stiftung „Stoff“ für einen zweiten Band. Kultur-Fachbereichsleiter Hans-Martin Dittus wünschte dem mehrfach ausgezeichneten Übersetzer einen „vergnüglichen, ersprießlichen, bereichernden“ Aufenthalt.

      Tobias Scheffel, Mitglied der Findungskommission der Hesse-Stiftung, stellte den seit 1980 in Irland und seit kurzem auch wieder in Deutschland lebenden Gast vor. Der literarischen Übersetzer hat mehr als 150 Titel – Romane, Kurzgeschichten, Lyriksammlungen irischer, britischer und amerikanischer Autoren – ins Deutsche übertragen. Aber er hat auch vom Deutschen ins Englische übersetzt. Zudem verfasste Hans-Christian Oeser Bücher über Irland und Dublin, Biografien über Oscar Wilde und James Joyce und ist Herausgeber mehrerer Anthologien. Einen Tag nach der Calwer Veranstaltung ging in Oesers Übersetzung der dritte Band der Autobiografie von Mark Twain in Druck.

      Angesichts dieses gewaltigen Oeuvres sei es schon erstaunlich, dass der Hesse-Stipendiat „weder ein biblisches Alter erreicht“ habe noch „eine multible Persönlichkeit“ sei. Ebenso humorvoll wie Scheffels Feststellung beantwortet Hans-Christian Oeser anschließend die Fragen des Übersetzerkollegen. „Fabulierlust und freier Umgang mit der englischen Sprache“ sind aus Sicht des Hesse-Stipendiaten Voraussetzungen für seine Arbeit. Die Bitte, doch aus seiner wunderbaren Twain-Autobiografie vorzutragen, lehnte der 67-Jährige indes wohlbegründet ab. „3000 Manuskriptseiten ermüden auch noch den schaffensfreudigsten Menschen; ich muss mich etwas von Twain erholen“, bekannte Oeser freimütig.

     Er gehe „völlig naiv an Dinge heran“, kenne sich oft mit dem Gesamtwerk eines Dichters gar nicht aus, berichtete Hans-Christian Oeser vom schwierigen Handwerk der Lyrik-Übersetzung. Bei jedem Gedicht gelte es, Form und Rhythmus zu beachten. Aber wenn er dann den Zugang zu einem Werk gefunden habe, erschließe sich auch der Rest von diesem Punkt aus. Seine eindrucksvolle Übertragung eines Gedichts aus dem Englischen ins Deutsche machte den Besuchern die hohe Meisterschaft des Stipendiaten deutlich.

   Heute sei das Bewusstsein für die Herausforderung einer literarischen Übersetzung gewachsen. Früher sei ob „der großen Linie, dem Schwung eines Werks“ oft die Genauigkeit vergessen worden. Das Original ist für Oeser aber „eine Größe, an der man sich abarbeiten muss.“ Folglich „unterscheiden sich drei Übersetzungen wie die Übersetzer selbst“.

        Selbstredend kam schließlich noch die Haltung des Stipendiaten zu Hermann Hesse zur Sprache. Im Vorfeld des dreimonatigen Aufenthalts in der Dichterklause am Calwer Ledereck sei ihm nach und nach klar geworden, „ich muss Hesse als sehr junger Mensch gelesen haben“, erzählte Oeser. Der Nobelpreisträger habe „einen reichen, manchmal überreichen Wortschatz“, merkte der klug parlierende Gast an.

      Der Hesse-Stiftung dankte Hans-Christian Oeser dafür, „dass sie mir die ganze Stadt zur Verfügung stellt“, Geschäftsführerin Elke Ruff und Hausherr Piet Schaber für „die Gastlichkeit sondergleichen".
 
(www.hermann-hesse.de/archiv/2017/)

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