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presse : interviews

Peter Lange

Das Streben nach Glück
Anspruch und Wirklichkeit: Amerika vor der Wahl

Der Übersetzer Hans-Christian Oeser und die Politologin Constanze Stelzenmüller diskutieren über Mark Twains „Geheime Autobiographie“ und David Remnicks Buch „Die Brücke – Barack Obama und die Vollendung der schwarzen Bürgerrechtsbewegung“.

Peter Lange: Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, zu einer weiteren Ausgabe unseres Sachbuchsalons Lesart Spezial, auch heute wieder aus dem Café Central des Grillo-Theaters in Essen, und auch heute wieder in Zusammenarbeit mit dem Kulturwissenschaftlichen Institut und der Buchhandlung „Proust“. Am Mikrofon begrüßt Sie Peter Lange.

Wir versuchen heute etwas Ungewöhnliches, vielleicht sogar etwas Schräges. In zehn Tagen wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Und da haben wir nun zwei Bücher ausgesucht, die weit in die Geschichte der Vereinigten Staaten zurückreichen und vielleicht helfen zu verstehen, wie denn dieses Land, wie diese Gesellschaft eigentlich tickt.

Das eine Buch gibt es schon etwas länger. Es ist aber jetzt als Taschenbuch erschienen und immer noch ein sehr opulentes Werk. Es stammt von David Remnick und hat den Titel: „Die Brücke. Barack Obama und die Vollendung der schwarzen Bürgerrechtsbewegung“. Das wird Ihnen gleich Constanze Stelzenmüller vorstellen. Sie ist Politikwissenschaftlerin, Journalistin und Amerika-Expertin als Senior Transatlantic Fellow beim German Marshall Fund. Herzlich willkommen.

Constanze Stelzenmüller: Vielen Dank für die Einladung, schönen Abend.

Peter Lange: Sie hatte viel zu lesen. Das Buch hat ungefähr 1000 Seiten. Das andere ist auch nicht viel dünner. Wir reden über ein – für mich jedenfalls – ausgesprochenes Lesevergnügen, keine Selbstverständlichkeit im Sachbuchsektor. Wir reden über die gerade auf Deutsch erschienene „Geheime Autobiographie von Mark Twain“.

Das müssen Sie sich vorstellen mit so einem Ergänzungsband zusammen, so ein ziegelsteingroßer roter Schuber. Den kann eigentlich keiner so schnell lesen. Deswegen sind wir sehr glücklich, dass wir denjenigen hier haben, der dieses Werk nämlich am besten kennt. Er hat es nämlich übersetzt. Hans-Christian Oeser, herzlich willkommen.

Hans-Christian Oeser: Danke.

Peter Lange: Herr Oeser, kommen wir mal auf den Titel „Meine geheime Biographie“. Da schreibt einer eine Autobiographie und hält sie geheim. Das ist doch eigentlich ziemlich bescheuert.

Hans-Christian Oeser: „Bescheuert“ weiß ich nicht, abwegig vielleicht. Der Mark Twain hatte eigentlich über einen langen Zeitraum damit gerungen, wie er seine Autobiografie am besten verfassen könnte. Und er glaubte erst im Jahre 1906 in New York, die wirklich einzig begehbare Methode gefunden zu haben, nämlich sie zu diktieren und nicht selber zu verfassen und zweitens aber sie 100 Jahre unter Verschluss zu halten, weil es ihm nur dann möglich sei, "frank und frei und schamlos wie ein Liebesbrief" zu schreiben. Denn er sagt: „… wenn ich jetzt schon das veröffentliche, was ich über meine Zeitgenossen zu sagen habe, werde ich mir die Wahrheit verkneifen.“ Er aber wollte die Wahrheit schreiben, so wie er sie sah.

Deswegen diese Autobiografie, 100 Jahre nach seinem Tod erschienen, wobei man allerdings hinzufügen muss, dass gewisse Teile daraus schon vorab veröffentlicht worden waren – durchaus anfangs auch mit seinem Segen. Aber man muss auch noch hinzufügen, dass dies nur der erste Band einer auf drei Bände angelegten Autobiografie ist. Weitere Enthüllungen sind zu erwarten.

Peter Lange: Gut. Aber 100 Jahre unter Verschluss, das zeugt ja auch von – sagen wir mal gelinde – Selbstbewusstsein oder – zugespitzt – Größenwahn. Also, ich vermute mal, meine Autobiografie und Ihre wird in 100 Jahren keinen Menschen mehr interessieren.

Hans-Christian Oeser: Durchaus nicht. Ich finde, Sie haben recht. Ich hatte zunächst einmal gedacht, er ist doch eigentlich ein bisschen feige, dass er mit seinen, zumal auch mit seinen politischen Anschauungen hinter dem Berg gehalten hat. Aber eigentlich gehört auch ein Mut und ein Selbstvertrauen und eine Zuversicht dazu, zu glauben, dass 100 Jahre nach seinem Tod es noch ein Publikum geben könnte – aber wir sehen, es gibt eines –, das sich für sein Leben und seine Biografie interessiert.

Er ist sehr, sehr zuversichtlich. Er ist sogar der Meinung, dass die Zeitungsberichte, die er in seine Autobiografie einfügt, dass auch die noch 100, 150 Jahre nach Erscheinen von größter Aktualität sind.

Peter Lange: Also, für mich war das die eigenwilligste Autobiographie, die ich je gelesen habe – nicht chronologisch, sondern offene Form, fragmentarisch, assoziativ und eben erzählt. Frage an Sie, Frau Stelzenmüller: Ist das das Geheimnis seiner Lesbarkeit?

Constanze Stelzenmüller: Ich finde, der Charme dieser Autobiografie ist, dass Mark Twain mit einer Leichtigkeit und in so einem Gesprächston, wie man ihn bei uns zum Beispiel von Fontane kennt, über ein enorm breites Spektrum an Themen redet, von seiner Jugend in der Prärie bis hin zum Tod seiner Frau und seiner Töchter, die er in sehr ergreifenden, anrührenden Passagen schildert. Das ist hinreißend. Ich habe das wie in einem Schwung durchgelesen. Man betrinkt sich richtig da dran.

Hans-Christian Oeser: Es ist etwas sehr Merkwürdiges, dass er – wie gesagt – den größten Teile dieser Autobiografie einer Stenografin diktiert hat, anfangs einem Stenografen. Das heißt, er hatte ein Publikum und konnte natürlich auch dann Reaktionen vielleicht ablesen, was wirkt und was nicht so gut wirkte. Und obwohl es mündlich ist und obwohl er ständig abschweift und die Abschweifungen sogar zum Strukturprinzip dieses Werkes erklärt, hat man immer das Gefühl einer stilistischen Geschlossenheit.

Peter Lange: Ist es ein Vergnügen, das zu lesen? War es denn auch ein Vergnügen, das zu übersetzen?

Hans-Christian Oeser: Ja, wenn ich einmal von der schieren Textmasse absehe. Ich gab am Ende 927 Manuskriptseiten ab. Und dann hatte ich danach noch weniger Haare als vorher schon. Und vor allen Dingen, was auch noch eine gewisse Schwierigkeit bereitete, wir hatten es schon angesprochen, es ist zwar dieser Erzählfluss im wörtlichen Sinne, aber gleichzeitig streut er eben ein: Gedichte, Tagebucheinträge, Zeitungsberichte, die Biografie seiner Tochter Susi, die sie im Alter von 13 Jahren über ihn verfasst hat.

Das heißt, man wechselt auch innerhalb des Textes von Genre zu Genre. Und da fällt es mir dann oder fiel es mir mitunter schwer, zum Beispiel von diesem Erzählerischen hinzugehen zur Reportage des Journalisten und wieder zurück.

Peter Lange: Er hat ja immer wieder versucht, eine Autobiografie ganz konventionell zu schreiben, irgendwie mit der Geburt anzufangen und dann den Lauf des Lebens, und ist immer wieder daran gescheitert. Wieso ist er daran gescheitert?

Hans-Christian Oeser: Ich glaube, er hatte das Gefühl, dass diese Stoffmasse sich keinem Gestaltungsprinzip fügt. Und er hatte das Gefühl, sozusagen die Zunge lösen zu können – auch wieder im wahrsten Sinne des Wortes, weil das ja eine mündliche Erzählung ist –, indem er dem folgt, was sozusagen der Augenblick ihm eingibt. Und das geht eben so, dass er sehr oft vormittags im Bett liegt, die Stenografin trifft ein, und er beginnt zu diktieren und geht häufig von einer Zeitungsmeldung des Tages aus oder von einer Begegnung. Und diese Meldungen oder diese Begegnungen lösen dann in ihm Erinnerungen an frühere Begegnungen, an frühere Vorfälle aus. Und dann bewegt er sich, wie er sagt, „über das unerforschte Meer der Erinnerung“.

Und ich glaube, das hat ihm eine unglaubliche Freiheit verschafft, die er, wenn er von der Wiege bis zur Bahre geschrieben hätte, so nicht gehabt hätte.
 

Peter Lange: Wenn wir diese Autobiografie mal zusammenfassen sollten, was würden wir im Telegrammstil sagen? Wir kennen ihn als den Autor von „Tom Sawyer“ und „Huckleberry Finn“ und vielleicht noch ein paar andere Dinge, die nicht mehr so ganz bekannt sind bei uns, aus verarmter Familie, Steuermann, Flussschiffer, Herumtreiber, Reporter.

Hans-Christian Oeser: All das taucht auf und man hat eben auch hier diese Mischung. Es gibt also wunderbare Kindheitserinnerungen, die wir dann eben auch aus „Tom Sawyer“ kennen, denn dort sind sie früher schon eingeflossen, oder aus „Huckleberry Finn“. Dann aber gibt es neben dem Humoristen auch den politischen Beobachter und den politischen Zeitgenossen, der ganz dezidierte Meinungen vorträgt zum Parteiensystem der Vereinigten Staaten, zu den Präsidenten, zur Außenpolitik, zur Rolle der Religion, zur religiösen Heuchelei. Also, der outet sich, würde man heute wohl sagen, als ein doch recht scharfzüngiger Kritiker der amerikanischen Verhältnisse.

Peter Lange: Gehen wir doch mal auf diese politischen Aussagen mit Blick auf die Wahlen in zehn Tagen: Wo stand denn Mark Twain politisch? Eigentlich war er Republikaner, Frau Stelzenmüller, aber dann doch wieder nicht.

Constanze Stelzenmüller: Ja, erstmal muss man sagen: Was sich damals Republikaner nannte, ist mit dem Republikaner von heute nicht zu vergleichen. Das gilt für Demokraten genauso. Mit dem Begriffspaar kommen wir nicht wirklich weiter, wenn wir ihn einordnen wollen.

Ich glaube, er war ein durch und durch liberaler Freigeist, dem es große Freude machte, aber das tat er auch in großer aufrichtiger Leidenschaft, die eigene politische Kultur zu kritisieren und ihre Hypokrisien, ihre Verlogenheiten zu entlarven. Und das tut er mit einer Verve, die einfach Freude macht zu lesen, die häufig urkomisch ist und ich glaube ihn als jemand kennzeichnet, der sich sicherlich von niemandem vereinnahmen ließ.

Hans-Christian Oeser: Es kommt auch noch hinzu, dass er, glaube ich, ein sehr europäischer Amerikaner war. Mit anderen Worten: Er hat, glaube ich, elf Jahre seines Lebens in Europa verbracht, in Florenz, in Wien, in Berlin, in London und so weiter. Und er war Kosmopolit, kann man glaube ich sagen, und dazu noch Antiimperialist in dem Sinne, dass er die imperialistischen Eroberungsfeldzüge der USA, die es durchaus gab, abgelehnt hat.

Constanze Stelzenmüller: Ich wollte es eben ansprechen, aber als Sie dann gesagt haben, er war Kosmopolit, da sind wir uns wieder einig. Ich finde ihn uramerikanisch, uramerikanisch in einem Punkt. Auf den kommen wir bei David Remnick auch noch gleich zu sprechen. Er ist ein Selfmademan. Er ist von sich selbst erfunden. Amerikanischer geht’s nicht. Aber das hätte er sich auch nicht nehmen lassen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Mark Twain sich als Europäer hätte bezeichnen lassen.

Er schreibt ja auch in seinem berühmten Buch über die Europareise „Europa haben wir in zwei Wochen abgefertigt, abgefrühstückt“. Und ich glaube, er hat da durchaus auch mit Sarkasmus über Europa geschrieben natürlich. Aber er war ein Kosmopolit. Er war eben bereit und imstande, obwohl er in Amerika in sehr einfachen Verhältnissen im tiefsten mittleren Westen aufgewachsen ist, Amerika von außen zu betrachten und sozusagen die Warze als Warze zu brandmarken.

Hans-Christian Oeser: Er war natürlich in diesem Sinne eine Verkörperung, wenn man so will, dieses Modells, also vom Botenjungen und Druckerlehrling zum höchst erfolgreichen, also auch finanziell erfolgreichen Schriftsteller, bis auf gewisse Fehlinvestitionen, die ihn dann nötigten, eine Welttournee – anderthalb Jahre dauernd – anzutreten, um seine Schulden abtragen zu können, was ihm aber gelangt, weil er ein begnadeter Redner gewesen sein muss. Das merkt man, glaube ich, eben auch den Diktaten an, also auch die Freude an der Formulierung.

Constanze Stelzenmüller: Man kann ihn, glaube ich, mit Dickens vergleichen. Dickens war ja auch ein Handelsreisender in eigener Sache, der unglaubliche Erfolge mit öffentlichen Lesungen hatte, auch in Amerika. Und Mark Twain beschreibt das ja. Man merkt in dieser Beschreibung, dass ihn das beeindruckt und dass er sich daran ein Beispiel nimmt. Aber Mark Twain war in etwa so weltbekannt, wie Dickens das damals war, und hat auch, glaube ich, ähnliche Menschenmengen angezogen und ähnliche Liebe bei seinen Lesern und Zuhörern hervorgerufen.

Peter Lange: Kommen wir noch mal zu dem politischen Mark Twain. Was würde der denn heute wählen, Obama?

Hans-Christian Oeser: Kann ich mir nicht vorstellen, aber andererseits doch wieder. Ich meine, wenn er heute die Wahl zwischen den beiden, die jetzt gegeneinander antreten, hätte, würde er natürlich für Obama stimmen. Aber, was wir vorhin schon gesagt hatten, ich glaube, er war jemand, der sich seine Unabhängigkeit sichern wollte. Also, was ihm sehr zuwider war, war die Parteiloyalität, die sozusagen – auch wenn der Kandidat eigentlich nicht wählbar war – dann doch zur Wahl dieses Kandidaten führte. Da gibt es Passagen in dieser Autobiografie.

Vor allem aber natürlich, er ist ja jemand, der mit der Sklaverei aufgewachsen ist und für den die Sklaverei etwas ganz Selbstverständliches war. Seine Familie hatte eine Sklavin. Mit der zog die Familie, als er selber vier Jahre alt war, nach Hannibal, Missouri. Seine Sommermonate verbrachte er bei einem Onkel in der Nähe von Florida, Missouri. Der hatte 20 Sklaven. Also, die Sklaverei war sozusagen eine Naturtatsache. Und er mokiert sich auch darüber, dass natürlich die christliche Botschaft überhaupt nichts gegen die Sklaverei einzuwenden hatte – die Kanzeln nicht, die Zeitungen nicht und so weiter. Aber er war ganz eindeutig Gegner der Sklaverei. Und vor allen Dingen seine Frau, die ihm übrigens auch finanziell den Aufstieg mit ermöglichte, weil ihr Vater ein vermögender Kohlenhändler war, seine Frau war Sklavengegnerin oder Gegnerin der Sklaverei.

Peter Lange: Es liest sich ja in seinem Buch so, als ob er eigentlich schon, auch in der Retrospektive schon, als Kind wusste, als Junge, dass das nicht in Ordnung sein kann mit der Sklaverei. Da gibt es auch ein Zitat: „Alle Neger waren unsere Freunde, die in unserem Alter in Wirklichkeit Kameraden. Ich sage, in Wirklichkeit und verwende den Ausdruck als Einschränkung. Wir waren Kameraden und doch keine Kameraden. Hautfarbe und sozialer Status zogen eine Trennlinie, welcher sich beide Parteien unterschwellig bewusst waren und die eine völlige Verschmelzung unmöglich machten.“ Also: Irgendwie muss der von vornherein gewusst haben, so ganz koscher ist das nicht mit dieser Sklaverei, oder?

Constanze Stelzenmüller: Ja gut, diese Debatte gab es ja schon im 18. Jahrhundert in Amerika. Selbst Jefferson hatte eigentlich ein schlechtes Gewissen wegen seiner Sklaven. Das hat seine Generation trotzdem nicht davon abgehalten, in der amerikanischen Verfassung Sklaven sozusagen als, ich glaube, Drei-Achtel- oder Fünf-Achtel-Menschen zu betrachten.

Ja, ich meine, Mark Twain schreibt hier sehr nüchtern, aber auch mit großer Wärme über diese sozusagen damals noch allgemein akzeptierte Institution, spricht vor allen Dingen mit großer Wärme über die schwarzen Kinder, mit denen er als Kind gespielt hat und aufgewachsen ist, und am Ende dieses ersten Bandes, wie ich jetzt erfahre, noch über den schwarzen Butler, der 17 oder 20 Jahre bei ihnen im Haus gelebt hat und der sozusagen Mitglied der Familie war, der, wie er schreibt, eines Tages zum Fensterwaschen kam und 17 Jahre blieb, „den unvergleichlichen George“ nannte er ihn, glaub ich, der dann irgendwann gestorben ist.

Also, man merkt, dass er ähnlich wie – übrigens eine Figur der Neuzeit, die wir alle kennen – Bill Clinton tiefe, enge, herzliche, emotionale Beziehungen zu schwarzen Menschen aufgebaut hat. Und das hat ihm, glaub ich, eine sehr emotionale und direkte Einsicht in das Unrecht dieser Institution gegeben.

Peter Lange: Womit Sie mir jetzt eine wunderbare elegante Überleitung bieten zu dem zweiten Buch, David Remnick: „Die Brücke. Barack Obama und die schwarze Bürgerrechtsbewegung“. Da kommt Bill Clinton drin vor, Bill Clinton als, wie es dort heißt, „der erste schwarze Präsident“, was ja eigentlich so nicht sein kann.

Constanze Stelzenmüller: Ja, na gut. Das ist ja inzwischen fast ein Klischee. Clinton war ja wirklich im allertiefsten Süden, dem ärmsten Süden, wo die Sklaverei sich auch noch sehr lange gehalten hat, und auch ganz so aufgewachsen und hat wohl ganz ähnlich wie Mark Twain das Zusammenleben von Schwarzen und Weißen auf sehr unmittelbare und intensive Art erlebt.

Und Remnick beschreibt in diesem Buch, das zwar der Form nach eine Biografie von Obama ist, aber eben vor allen Dingen auch eine sehr tiefgründige Analyse der Rassenbeziehungen in Amerika heutzutage ist und wie Obama versucht hat, dieses Gegeneinander zu überwinden in seiner Kandidatur und mit einigen legendären Reden.

Clinton war da. Das war ja das Gefährliche für Obama, dass Hilary Clinton schon wegen ihres Mannes und des Rufs ihres Mannes als die für Afroamerikaner bessere Kandidatin galt. Und einer der größten Hürden für Obama im Wahlkampf 2008 war zu sagen: „Ich bin für euch noch besser“. Das war nicht evident wegen seiner weißen Mutter.

Peter Lange: Der Titel „Die Brücke“, was hat es damit auf sich? Das ist eine reale Brücke?

Constanze Stelzenmüller: Obama sah sich und hat das, glaube ich, auch bis in ein Maß erreicht wie noch kein afroamerikanischer Politiker vor ihm, als Brücke zwischen Schwarz und Weiß in Amerika. Und mit die eindruckvollsten Passagen in diesem Buch von Remnick, der ein legendärer Journalist ist, erst bei der New York Times und jetzt seit etwa einem Jahrzehnt als Chefredakteur des New Yorker, mit die eindruckvollsten Passagen in diesem Buch beschreiben die Zweifel, auch die Rückständigkeit, die Ideologieverhaftetheit, die Provinzialität dieser schwarzen Szene in Chicago und anderswo im Süden, wo Obama kommt, dieser kosmopolitische Schwarz-Weiße, den man nicht einsortieren kann, der so post-racial wirkt, als hätte er das alles schon überwunden. Und man selber hat an der Brücke gestanden und ist beinahe erschossen worden.

Und das haben einige der älteren Herrschaften ihm doch sehr, sehr übel genommen, diese Arroganz und diese Leichtigkeit, dieser federnde Schritt, mit dem dieser Mann auftauchte und sagte: „Ich werde jetzt euer Präsident.“

Peter Lange: Die Kernthese ist ja, dass Obama im Grunde die Vollendung der Bürgerrechtsbewegung ist. Ist das für Sie schlüssig erklärt und dargelegt?

Constanze Stelzenmüller: Oh Gott, nein. Die Bürgerrechtsbewegung ist noch längst nicht vorbei. Also, da ist noch viel zu tun. Aber sagen wir so: Die …


Peter Lange: So ist der Titel: „Barack Obama und die Vollendung der schwarzen Bürgerechtsbewegung“.

Constanze Stelzenmüller: Das ist es, glaube ich nicht, hier im Original. Aber das kann ich gleich nachgucken. Aber das kann man sich schon vorstellen, dass ein deutscher Verlag sich so was einfallen lässt. Also, ich finde das absurd.

Hans-Christian Oeser: Es ist ein Zitat aus dem Buch.

Constanze Stelzenmüller: Ja? Na gut.

Hans-Christian Oeser: Ein sehr fragwürdiges.

Constanze Stelzenmüller: Ich glaube, auch wenn man das Ding so gelesen hat, also, es gibt eigentlich an keiner Stelle die Behauptung von Remnick, er schwingt sich also nie zu dieser These auf, damit sei nun in Amerika das erreicht. Die Zahlen sprechen einfach dagegen, die politischen Reaktionen oder die fehlenden Reaktionen auf Katrina und die Katastrophe in New Orleans und so. Also, da ist noch viel zu tun. Man braucht sich ja nur die sozialen Differenzen, den Zustand der Schulen und so weiter anzuschauen.

Aber Tatsache ist natürlich trotzdem, dass das ein unglaublicher Schritt war und viele von uns, auch viele meiner amerikanischen Freunde, ergriffen und in Tränen in der Wahlnacht dagestanden haben und gesagt haben, das ist unglaublich. Ich kann das aus eigener Erfahrung erzählen. Ich arbeite ja für eine amerikanische Stiftung, die sich der transatlantischen Zusammenarbeit verschrieben hat. Und so werde ich also in den Wahlnachtsfeiern, die die transatlantischen Institutionen in Berlin zusammen mit der Botschaft immer veranstalten, so auch wieder am 6. November, steht mir also wieder eine Nacht bevor, eingeladen, also praktisch vom Abend bis zum Morgen durchzumachen.

Und am nächsten Morgen stand um 7.30 Uhr der Stellvertretende Botschafter vor dem Mikrophon und las, glaube ich, ein Zitat von Martin Luther King vor und ist dabei in Tränen ausgebrochen – ein weißer Mann, ein weißer Diplomat, der in Jahren, Jahrzehnten der Arbeit geübt ist darin, keine Regung zu zeigen, sich zu zügeln, sich zu kontrollieren. Und der konnte vor Ergriffenheit gar nicht mehr. Das fand ich sehr, sehr eindrucksvoll.

Hans-Christian Oeser: Aber ich finde das Buch doch auch etwas problematisch. Also, das Buch kann nichts dafür, dass es schon im Jahre 2010 erschienen ist und deswegen die Amtszeit Obamas, sozusagen die erste, vielleicht sogar die letzte, das wissen wir noch nicht, nicht bis zum Ende verfolgen kann. Aber ich hatte immer das Gefühl, wir erfahren unglaublich viele Details darüber, wie Obama aufgewachsen ist, was ihn geformt und geprägt hat. Aber gleichzeitig ist der Fokus so sehr auf der Hautfarbe und auf diesem Brückensymbol, dass sozusagen die ganze andere politische Programmatik dahinter zurückbleibt. Und wenn es also hier heißt, „Barack Obama und die Vollendung der schwarzen Bürgerrechtsbewegung“, Sie sagten vorhin so en passant, ein Schwarz-Weißer, vielleicht so ein Post-racial, das Credo von Obama scheint zumindest dieser Biografie nach zu urteilen immer zu sein: Ich stehe mit meiner Person für die Integration aller Amerikaner, schwarzer wie weißer.

Aber was ist mit dem Rest? Ich meine jetzt nicht den Rest der Bevölkerung, sondern was ist mit dem Rest der Politik? Das geht sehr viel weniger daraus hervor. Und ich weiß auch nicht, ob es vielleicht bei Obama selber auch, ich will sagen: Mangelerscheinungen gibt, was die konkrete Ausgestaltung der politischen Vision angeht.

Constanze Stelzenmüller: Das wäre jetzt ein abendfüllendes Programm. Und das ist sozusagen mein tägliches Brot.

Aber noch mal ganz kurz, ich habe es eben nachgeschaut: Der Untertitel im englischen Original ist „The Bridge. The Life and Rise of Barack Obama“, also viel weniger pathetisch als das da. Also, hab ich mir doch glatt gedacht.

Peter Lange: Gut, der Punkt geht an Sie. Gut, dass wir das jetzt wissen. Was ich Sie fragen wollte: Wie viel Twain steckt noch in dieser Darstellung der Bürgerrechtsszene der 60er Jahre? Ich hab da Dinge draus gelernt, wie zum Beispiel diese unsinnigen Wissensfragen, diese aberwitzigen Fragen, die gestellt worden sind, die man beantworten musste, um als Schwarzer überhaupt Wahlrecht zu bekommen, auch dass man damals noch Steuern zahlen musste, also, wie Dreiklassenwahlrecht in Preußen fast. Nur der Steuerzahler hat überhaupt Wahlrecht. War mir eigentlich so nicht bekannt.

Hans-Christian Oeser: Also, ich glaube, was das Buch sehr deutlich macht, ist, dass nach wie vor, würde ich jetzt mal als Nichtamerikanist behaupten, das zentrale innenpolitische Problem der USA die Farbe Schwarz-Weiß ist. Nach wie vor, behaupte ich.

Und wenn Sie nach Mark Twain fragen: Mark Twain äußert sich sehr deutlich auch über die Ausrottung der Indianer, die Versklavung der Schwarzen, über – wie schon vorhin erwähnt – die imperialistische Außenpolitik. Und ich meine, das Problem – weil Sie vorhin fragten, wie ist das, wie sehen wir die Amerikaner – ich habe immer das Gefühl, noch stärker als in anderen Staaten prägt das Amt die Person. Das heißt, die Strukturen scheinen immer stärker zu sein als die Persönlichkeit, noch stärker als in anderen Staaten, so dass zum Beispiel die Grundprinzipien der amerikanischen Außenpolitik die gleichen bleiben, ob sie jetzt von Obama vertreten werden oder von Bush, auch wenn es natürlich diese Schattierungen und diese Nuancen gibt und diese unterschiedlichen Taktiken.

Also, ich find’s zum Beispiel schade, in diesem Buch kommt Guantánamo Bay zwei Mal vor, was natürlich auch damit zu tun hat, dass es – wie gesagt – 2010 schon aufhört. Aber das Problem ist nach wie vor nicht gelöst. Und da ist Obama, dem ich das zutraue, dass er eine Änderung wollte, nicht gelungen, diese Änderung politisch durchzusetzen.

Constanze Stelzenmüller: Der erste Punkt ist Schwarz-Weiß, ich glaube, das stimmt so nicht mehr. Ich glaube, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, ich habe in meinem Leben sieben Jahre insgesamt in den USA gelebt, als Kind vier Jahre und als Studentin noch mal drei, vier Jahre in Washington. In Washington gab's sehr viele Schwarze, weil sehr viele Schwarze damals in den 30er-, 40er-Jahren in die Hauptstadt gezogen sind, um für die Regierung zu arbeiten, wo sie nicht diskriminiert wurden. Aber de facto war Washington sozial segregiert. Also, wir haben als Kinder gelernt, Schwarze fahren mit dem Bus, Weiße fahren mit dem Auto. Es gab bestimmte Stadtgegenden, wo wir uns nicht hingetraut haben und wo man als Kind alleine besser nicht hinging.

Heutzutage ist Amerika in einer Weise multiracial geworden. Und vor allen Dingen, die größte Bevölkerungsgruppe inzwischen fast oder in absehbarer Zeit sind die Hispanics. Außerdem heiraten Schwarze und Weise Hispanics und Weiße und Asian Americans alle durcheinander. Also, das Bild ist längst sozial, ethnisch, politisch viel, viel komplexer als eine reine Schwarz-Weiß-Geschichte. Davon bin ich fest überzeugt.

Der andere Punkt ist: Ich glaube auch, dass es nicht richtig ist, verzeihen Sie mir das zu sagen, dass – also, es stimmt schon, dass David Remnick die großen Punkte der Außenpolitik ausgelassen hat, weil, das hätte den Rahmen dieses Buches gesprengt, das sich ein anderes Thema vorgenommen hatte, aber es ist nicht richtig zu sagen, dass Obama dieselbe Außenpolitik verfolgt hat wie seine Vorgänger oder dass der Apparat ihn dazu gepresst hätte.

Es stimmt, dass sein Versuch, Guantánamo zu schließen, gescheitert ist. Daran hat ihn sozusagen der Apparat gehindert. Aber Obama hat eine grundlegend andere Weltsicht, eine grundlegend andere Sicht auf die Rolle Amerikas in der Welt als sein Vorgänger und auch als sein Kontrahent Romney. Ich finde sie viel moderner. Ich finde sie viel flexibler und pragmatischer. Das ist ja das, was seine Kontrahenten wahnsinnig macht. Aber das hat mit sozusagen dieser Vorstellung von Amerika, dem Hegemon, der immer nur absolute Dominanz sucht und auch erreicht, nicht mehr viel zu tun.

Peter Lange: Was aber geradezu prophetisch ist, ist eine Äußerung damals 2008 von einem der Weggefährten Martin Luther Kings, der vor diesen überzogenen Erwartungen schon gewarnt hatte, der die schon sah. Da darf ich jetzt noch mal zitieren: „Die Leute fürchteten sich, abermals zu hoffen, abermals zu glauben. Wir haben bedeutende Führer verloren. Daher hatten die Menschen möglicherweise Zweifel, ob sie ihr ganzes Vertrauen in ein Symbol und in einen Führer setzen sollten oder nicht. Die Gefahr der Enttäuschung ist riesig. Die Probleme sind so groß. Keines ist an einem Tag oder in einem Jahr zu lösen.“ – Wo er recht hat, hat er recht.

Constanze Stelzenmüller: Klar.

Hans-Christian Oeser: Aber ich meine, allein die Tatsache, dass das Buch sich zu einem großen Teil um die Hautfarbe dreht, zeigt doch an, dass es eben keine Selbstverständlichkeit ist, dass ein Schwarzer oder ein Schwarz-Weißer Präsident wird und dass es natürlich ein riesiger Schritt ist, ein riesiger Fortschritt. Es wurde von James Baldwin 1965 gesagt: Robert Kennedy meinte, „es könnte sein, dass ein Neger in den nächsten 30 bis 40 Jahren die Stellung meines Bruders als Präsident der USA innehaben könnte.“ Und da sagt Baldwin: „Wir sind seit 400 Jahren hier und jetzt erzählt ihr uns, wenn du brav bist, lassen wir dich in 40 Jahren vielleicht Präsident werden.“

Und ich meine, um diese Auseinandersetzung ging es ja bei dieser Kandidatur. Das heißt, es ist eben leider keine Selbstverständlichkeit. Aber er tut natürlich das Seinige, es zu einer Selbstverständlichkeit …

Constanze Stelzenmüller: Ich behaupte ja nicht, dass die Konflikte alle gelöst sind und dass es eine Selbstverständlichkeit sei. Das wäre absurd. Das Gegenteil ist der Fall.

Aber nehmen Sie mal einfach das amerikanische Volkszählungsformular. Das hat eine Stelle, wo man ankreuzen soll, zu welcher Volksgruppe man sich zählt und zu welcher Religionsgruppe und so weiter. Und das war früher ein relativ kleiner Satz von Kästchen. Das sind heutzutage, glaube ich, 14, 15 Stück, weil sich das immer weiter auseinander differenziert, auseinander dividiert. Und es gibt tatsächlich eine Gruppe von Menschen in den USA, ich glaub, eine wachsende Gruppe, die sich selber als Post-Racial bezeichnen würden, weil sie sagen, das definiert mich nicht mehr so sehr, dass es mein ganzes Ich beschreibt.

Peter Lange: Wenn wir jetzt, Frau Stelzenmüller und Herr Oeser, wenn wir die beiden Bücher gelesen haben, schätzungsweise 2.000 Seiten, wofür ich noch mal jetzt danke, dass Sie das getan haben, verstehen wir dann die USA besser?

Constanze Stelzenmüller: Da würde ich noch ein paar andere Sachen dazu lesen. Aber man versteht schon eine ganze Menge.

Peter Lange: 2.000 Seiten ist doch schon mal was.

Constanze Stelzenmüller: Ja. Ich meine, der Remnick ist ein großartig recherchiertes und geschriebenes Buch, in dem man sehr, sehr viel lernt über die moderne amerikanische Gesellschaft. Das ist schon deshalb die Lektüre wert. Man liest es schnell und gerne und hat nachher das Gefühl, man hat seine Zeit gewinnbringend eingebracht. Und Mark Twain, wie schon gesagt, das liest man so in einem Rausch durch.

Hans-Christian Oeser: Also, mein Kommentar bezieht sich nicht auf die mentale DNA, aber auf eine gewisse Kontinuität der Politik. Ein kleines Beispiel: Ich habe gerade eine Rezension gelesen des Buches, das ein US Navy Seal geschrieben hat über die Tötung von Osama bin Laden. Und da heißt es: „Wir hatten den Befehl, Kill or Capture.“ Und es hieß, Osama bin Laden habe seine Frau als menschlichen Schutzschild benutzt. Und das Erschreckende ist, dass Mark Twain ein Massaker an Eingeborenen auf den Philippinen beschreibt, wo er dann die amerikanischen Soldaten „unsere uniformierten Meuchelmörder“ nennt, wo der menschliche Schutzschild angeführt wird. Die Moros, 600 an der Zahl, also, die Männer hätten die Frauen und Kinder vorgeschoben, so dass alle niedergemetzelt werden mussten. Und das finde ich immer ganz erhellend, wenn es gewisse Parallelen oder – wie gesagt – Kontinuitäten gibt.

Constanze Stelzenmüller: Ich möchte eine Parallele zitieren: Die Mütter, Obamas Mutter und Mark Twains Mutter, sind sich ungeheuer ähnlich. Das ist so eine Art von subterraner Gemeinsamkeit dieser beiden Bücher. Beides Frauen, die ein starkes moralisches, einen starken moralischen Kompass haben und das ihrem Sohn auch mitgeben, ein Gefühl für, was Recht und Unrecht ist.

Und eine der anrührendsten Geschichten in dieser Autobiografie von Mark Twain: Er erzählt, wie der kleine Junge Mark oder Samuel Clemens eigentlich nach Hause kommt und sich beschwert über einen kleinen Sklavenjungen, mit dem er eigentlich befreundet ist, aber der andauernd Lärm macht, schreit und lacht und einfach randaliert, und seine Mutter dann zu ihm sagt: Weißt du was, ich bin froh, wenn er das tut. Weil, wenn er das nicht tun würde, dann würde er an sein schreckliches Schicksal und an den Tod seiner Mutter denken. Und wenn er randaliert und Lärm macht, dann ist er glücklich. Und das freut mich für ihn. Es sollte dich auch freuen. Eine wunderbare Geschichte.

Und ähnlich ist Stanley Ann Dunham, die Mutter von Obama, die ihm gelegentlich auch auf die Nerven gegangen ist mit ihrem Enthusiasmus und ihren Versuchen, ihm sozusagen Martin Luther Kind und alle möglichen anderen großen schwarzen Vorbilder nahe zu bringen – als weiße Frau aus Kansas. Sie wird trotzdem mit großer Liebe und großer Zuneigung von Remnick porträtiert. Es lohnt sich auch deshalb.

Peter Lange: Die Mütter bringen es. Okay. Das Ende unserer Sendung naht. Und da wollen wir natürlich immer wissen, was denn unsere beiden Gesprächsgäste zurzeit lesen und empfehlen. Frau Stelzenmüller, was wollen Sie uns empfehlen?

Constanze Stelzenmüller: Was ich gerade verschlungen habe, sind die beiden fiktiven Biografien von Oliver Cromwell von Hilary Mantel. Hilary Mantel hat gerade für den zweiten Band zum zweiten Mal den Man-Booker-Preis bekommen, was schon eine echte Leistung ist, ich glaube, als einzige Frau und als dritte in der Geschichte dieses Preises. Also, ich warte jetzt auf den dritten Band und ich hoffe, sie schreibt ihn schnell.

Peter Lange: Ja, vielen Dank. Und Herr Oeser?

Hans-Christian Oeser: Ich habe ausgesucht ein Buch, das ich sehr gerne empfehle, von Artur Schnitzler, ein moderner Klassiker, „Therese. Chronik eines Frauenlebens“, 1928 veröffentlicht, sein letztes Werk, das vor seinem Tod 1931 erschienen ist. Ja, das Schicksal einer Frau, die als Gouvernante, als Gesellschafterin arbeitet, viele Männerbekanntschaften hat und von jedem Mann, der ihr begegnet, letzten Endes missbraucht wird. Das ist ein ganz erschütterndes Buch. Aber für mich sehr erstaunlich, dass dieser Mann, Arthur Schnitzler, sich so einfühlsam in eine Frau hineinversetzen kann und diese Ausweglosigkeit mit größter Anteilnahme schildert.

Peter Lange: Herzlichen Dank. In der Lesart Spezial aus dem Grillo-Theater in Essen haben wir heute mit Blick auf die US-Präsidentschaftswahl über zwei Bücher gesprochen, David Remnick, „Die Brücke. Barack Obama und die Vollendung der schwarzen Bürgerrechtsbewegung“, ein etwas vollmundiger Titel, wie wir gelernt haben. Es ist erschienen bei Bloomsbury Taschenbuch, hat immer noch knapp 1.000 Seiten, kostet 12,99 Euro. Die Amerikaner würden sagen, ein reasonable price, 0,12 Cent pro Seite. Mark Twain: „Meine geheime Autobiographie“ ist im Aufbau Verlag erschienen, hat 724 Seiten. Der Begleitband hat noch mal 400 Seiten. Das Ganze kostet bis zum Jahresende 49,90 Euro und danach 10 Euro mehr.

Herzlichen Dank Ihnen beiden, an Constanze Stelzenmüller und Hans-Christian Oeser, dass Sie heute in der Lesart Spezial diese beiden wuchtigen Bücher vorgestellt haben. Danke für Ihr Interesse. Am Mikrofon verabschiedet sich Peter Lange.

(Mitschrift einer Podiumsdiskussion vom 28. Oktober 2010)

 

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