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presse - rezensionen

Molly McCloskey: Starke Sonne, schwacher Mond. Eine wahre Geschichte. Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser.

Göttingen: Steidl, 2015.

 


Längst liegt das Buch, das die seit 1989 in Irland lebende amerikanische, Schriftstellerin Molly McCloskey seinerzeit ihrem an paranoider Schizophrenie erkrankten Bruder zu schreiben ankündigte, nämlich bereits seit 2011 vor. Doch erst mit fünfjähriger Verspätung wurde es nun auf einfühlsame Weise von Hans-Christian Oeser ins Deutsche übertragen. Und man möchte ausrufen: Endlich!


(Peter Henning, WDR5, 22. August 2015)



Als Molly McCloskey, die vielfach ausgezeichnete amerikanische Autorin, die seit 1989 in Irland lebt, noch im Kindesalter war, erkrankte ihr vierzehn Jahre älterer Bruder Mike an paranoider Schizophrenie. Als Erwachsene hatte die Autorin keine klare Erinnerung mehr an ihren Bruder vor der Zeit, als sich bei ihm die ersten Anzeichen einer Krankheit bemerkbar machten, die alle Hoffnungen auf ein erfolgreiches Leben, für das er so prädestiniert schien, zerstörte. Über 30 Jahre später erhielt McCloskey von ihrer Mutter eine Briefsammlung, die etwa 40 Jahre ihrer Familiengeschichte umspannt. Zu jener Zeit hatte die Autorin eine Reihe krisenhafter Lebenssituationen hinter sich, in denen sie die Angst durchlebte, ebenfalls an Schizophrenie zu erkranken. 2006 beschloss sie, der Geschichte von Mike nachzugehen, und veröffentlichte 2011 Circles Around the Sun. In Search of a Lost Brother, das im selben Jahr von „The Sunday Times“ zum „Memoir of the Year“ gewählt wurde. Seit kurzem liegt das Buch auf deutsch bei Steidl unter dem Titel Starke Sonne, schwacher Mond  in Hans-Christian Oesers gewohnt treffsicherer Übersetzung vor.


(Paula Böndel, literaturkritik.de, 1. Dezember 2015)



McCloskey, die bisher als Autorin von Romanen und Erzählungen bekannt geworden ist, wagt mit diesem Buch ein erzählerisches Experiment, das kaum Vergleiche zulässt; allenfalls an die essayistischen, ebenfalls von Philosophie und Naturwissenschaft inspirierten Bücher von Siri Hustvedt („Die zitternde Frau“, 2010) ließe sich hier denken. Und dieses Experiment geht, trotz einiger überzogener Sprachbilder und einer manchmal etwas hölzern wirkenden Übersetzung, eindrucksvoll auf – vielleicht gerade, weil die "Zitadelle" des Bruders bis zum Ende verschlossen bleibt. Die Erkenntnis der Erzählerin wie auch des Lesers verlagert sich damit auf die – von Laing beschriebene – „Verschiedenartigkeit“ des Schizophrenen, sein „Getrenntsein“ von der Mitwelt, seine „Einsamkeit“ und „Hoffnungslosigkeit“. Konsequenter als in diesem Buch lässt sich davon gewiss nicht erzählen.


(Kai Sina, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Dezember 2015)

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