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presse - artikel

Von Glaube, Zuneigung, Älterwerden und Alkoholismus


Hans-Christian Oeser liest im Romanischen Haus aus dem Buch „Schnee in Amsterdam“

 

GELNHAUSEN. Die Brentano-Buchhandlung in Gelnhausen hat einmal mehr zu einer interessanten Literaturlesung in die Räume des Romanischen Hauses eingeladen. Hans-Christian Oeser, Übersetzer des Romans ,,Midwinter Break“, stellte das neueste Werk des nordirischen Autors Bernard MacLaverty vor, das in Deutschland unter dem Titel „Schnee in Amsterdam“ erschienen ist.
      Bernard MacLaverty wuchs in Belfast auf, wo er an der Queens University zunächst in der Anatomieabteilung arbeitete, bevor er ein Studium in englischer Literatur begann. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums wurde er Lehrer und zog nach Schottand. Ab dem Jahr 1981 widmete er sich ausschließlich dem Schreiben von Büchern, von denen einige, wie beispielsweise „Cal“ und „Lamb“ verfilmt wurden.

     MacLaverty lebte mit seiner Familie einige Zeit auf der schottischen Insel Islay, bevor er 1975 nach Glasgow zog, wo er auch heute noch seinen Lebensmittelpunkt hat. Für das 2017 erschienene Werk „Midwinter Break“ wurde er mit dem ,,Irish Book Award“ ausgezeichnet. Hans-Christian Oeser schilderte bei seiner Lesung im Romanischen Haus anschaulich, wie er mit MacLaverty um den deutschen Titel – er wollte nicht das englische Original übernehmen – gerungen habe, bis man sich schließlich auf „Schnee im Amsterdam“ einigte. Seine Bücher, sagte Qeser, plätschern narrativ unaufgeregt dahin, wobei sie sich in den scharfen Konturen ihrer Protagonisten widerspiegeln.
      Das Buch handelt von einem älteren Ehepaar aus Glasgow und ist ein profundes Porträt einer langjährigen Ehe, die an den alltäglichen Problemen des Paares zu ersticken droht. Älterwerden, Alkoholismus, Glaube und noch ein gewisses Maß an gegenseitger Zuneigung zeichnen seine Charaktere aus, die feingeschliffenen Dialoge sind gewürzt mit einer guten Prise britischen Humors. Ein seit längerem geplanter Kurztrip nach Amsterdam soll nun endlich Wirklichkeit werden, und das Buch beginnt mit dem Kofferpacken und den Reisevorbereitungen.
      Es schildert die Ereignisse mal aus der Sicht von Sally, mal aus der von Jerry. In Amsterdam angekommen, will Sally unbedingt den Beginenhof besuchen, eine Touristenattraktion. Dort lebten seit dem 14. Jahrhundert Nonnen in einer katholischen Klostergemeinschaft, ohne die strengen Auslegungen der üblichen katholischen Ordensgemeinschaften. Sally ist tief religiös, Jerry neigt mehr dem Atheismus zu. Während Sally sich frühmorgens aufmacht, den Beginenhof zu finden, um dort zu meditieren und auch über eine Trennung von ihrem Mann nachzudenken, organisiert Jerry den Nachschub seines geliebten Whiskeys, die Flasche aus dem Free Bond Shop ist schon fast geleert.
      Er kauft Halbflaschen, die er in die große Flasche nachfüllen kann, ohne dass Sally dies mitbekommt. Nachts, als Sally schläft, entsorgt er die leeren Halbflaschen in einem Abfallbehälter im Hotelflur. Die Zimmernummer ist auf seiner Schlüsselkarte aber nicht vermerkt. Er irrt nicht mehr ganz nüchtern über den Hotelflur, um das richtige Zimmer zu finden – immer bemüht, Sally nicht aufzuwecken. Dieser Abschnitt des Buches hat etwas Rührendes, ebenso als er sich Gedanken darüber macht, was Sally alles kann und weiß, wie er bewundernd feststellt. Dass sie aber das Wort Karotten immer falsch, nämlich mit zwei ,,R“ schreibt, versteht er nicht.
      Natürlich konnte und wollte Oeser nicht das Ende des Buches vorwegnehmen. Die Mischung aus Humor, Aktualität und einer gewissen Mystik wird mit Sicherheit interessierte Leser finden.

(mf, Gelnhäuser Neue Zeitung)

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