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presse - rezensionen

Christopher Nolan: Unter dem Auge der Uhr. Ein autobiographischer Roman. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1989.


 

Nolan schwankt zwischen konventioneller, streckenweise fast unbeholfener Berichterstattung des Alltags und eruptiver Beschreibung seines inneren Lebens, und die Anteilnahme des Lesers ist ihm nur beim letzteren völlig gewiss. Immer dann, wenn der Autor sich radikal seinem Selbst zuwendet, findet er auch zu seiner eigenen Sprache, die metaphernreich, sinnlich und dramatisch ist. Es ist ein Glück für diesen sorgfältig übertragenen und behutsam redigierten Text, dass der Erzähler meist bei dieser authentischen Ausdrucksform bleibt.

 

(Elke Schmitter, Die Weltwoche, 23. März 1989)

 

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Der Lebensbericht gewährt uns Einblick in die Tag- und Nachtseiten eines bedrückenden Schicksals, aber von einer Poesie, die an Joyce und Dylan Thomas gemahnen könnte, darf guten Gewissens nicht gesprochen werden. Vielleicht hat die stellenweise unscharfe Übersetzung die Schwächen des Textes noch verstärkt.

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(Matthias Wegner, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Mai 1989)

 

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Nolan reißt dann seine Sprache hoch in visionäre Bildwelten, jongliert gleichzeitig auf mehreren Bedeutungsebenen und versucht, Sinngehalte und Vorstellungen über die semantische Konvention hinaus zu schaffen, was ihm bei der englischen und irischen Kritik den Vergleich mit seinem Landsmann Joyce einbrachte.

      Das alles kann man allerdings nur erfahren, wenn man die englische Ausgabe von 'Unter dem Auge der Uhr' liest. Nolans deutscher Verlag präsentiert das Buch in einer Übersetzung, die nicht nur an komplizierten Stellen, sondern schon bei simpelsten Basis-Sätzen versagt. (...) dabei hat, wenn man den Umbruch von 'Unter dem Auge der Uhr' mit dem fertigen Buch vergleicht, das Lektorat sich immerhin noch nach Kräften bemüht, einige der schlimmsten Fehler zu korrigieren und die Übersetzung wenigstens in ein weitgehend grammatikalisch stimmiges Deutsch zu bringen. (...)

      Nolans Roman lebt von seiner Sprache, den Wortbildern, die in der Übersetzung häufig zu Stilblüten verkommen - und so wird man diesen jungen irischen Schriftsteller hierzulande leider nicht kennenlernen, wenn man nur die deutsche Ausgabe seines Buches liest.


(Barbara von Becker, Die Zeit, 23. Juni 1989)

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Man muß die Sprache Nolans, der nicht sprechen kann, bloß einmal laut lesen, um in ihr das Älteste poetischer Sprachen - heute am ehesten noch in irland lebendig - wahrzunehmen: den Singsang von Kindern und Priestern.

      Der aber ist kaum übersetzbar. Und so sehr der Übersetzer sich - kompetent, sensibel und hart arbeitend - dem ausgesetzt hat, der deutsche Text liefert allenfalls Ahnungen davon.

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(Erhard Schütz, Rheinischer Merkur / Christ und Welt, 21. Juli 1989)

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Daß Christopher Nolan von der britischen Presse mit den großen Dichtern Joyce, Yeats und Dylan Thomas verglichen wurde, ist selbstverständlich zu hoch gegriffen und (sic!) in der Übersetzung etwas zu manieriert geraten, aber darüber sollte man hinwegsehen.

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(Peter Mohr, Volksblatt, 17. September 1989)

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Die deutsche Übersetzung trifft den richtigen Ton. Gewisse Wortverwendungen und -schöpfungen Nolans weisen jedoch auf die Grenzen der Übersetzbarkeit hin, in welchem Bereich im vorliegenden Band noch Verbesserungen möglich wären.

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(Andreas Ritter, Zürcher Zeitung, 4. Oktober 1989)

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Doch trotz der teilweise fast lässigen Komik stört an der Biographie ein gewisser affektierter Grundton, hervorgerufen vor allem durch das Erzähltempus Imperfekt, das zumindest im Deutschen fast behäbige Distanz des Autors zum Gegenstand suggeriert. Bei einem 22-Jährigen, der seine Autobiographie schreibt, wirkt der Gestus des großväterlichen Erzählers einfach unangemessen.

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(ud, Demokratisches Gesundheitswesen, Oktober 1989)

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Zu der schon andernorts gescholtenen deutschen Übersetzung, die ja immerhin die Qualitätsüberprüfung durch den Verlag bestand, wollen wir hier nur die Vermutung äußern, daß sie wie so oft wohl unter enormem Zeitdruck angefertigt werden mußte.

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(Silvia Morawetz, Süddeutsche Zeitung, 8. November 1989)

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Die angelsächsische Kritik hat Nolans eigenwillige Prosa mit der Dichtung seines Landsmannes James Joyce verglichen; sie gilt als schwer, teilweise unübersetzbar.

      In Hans-Christian Oesers deutscher Übertragung wimmelt es denn auch von schiefen Bildern und ungelenken, schwer nachvollziehbaren Satz- und Metaphernkonstruktionen, die man schwerlich dem Autor anlasten mag. (...) Nolans erklärtes Bestreben, sein Talent für eine salzige Bastardsprache einzusetzen, mündet dergestalt "gackernd" in einer Übersetzung, deren "Zutaten" seitens des Übersetzers man fairerweise nicht unbedingt vertrauen sollte.

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(Andrea Köhler, Badische Zeitung, 6. Dezember 1989)

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Dem Übersetzer Hans-Christian Oeser ist höchstes Lob zu zollen. Man hätte dieses Buch leicht in Arno-Schmidt'scher Exaltation übertragen können und hätte nicht viel falsch gemacht, so reichhaltig und virtuos handhabt Nolan den englischen und irischen Wortschatz. Doch die Entscheidung, vor allem einen lesbaren, nicht in semantischen Verschnörkelungen ausufernden Text dem deutschen Leser zu bescheren, war richtig.

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(Reiner Schweinfurth, Stern, 18/1989)

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