presse - rezensionen
Sebastian Barry: Jenseits aller Zeit. Roman. Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser. Göttingen: Steidl, 2024.
Sebastian Barry schafft eine Atmosphäre wie an einem wärmenden Kaminfeuer, die einen unerklärbaren Trost ausstrahlt wegen der großen Ruhe, Geduld und einem absolut unwiderstehlichen Humor, mit dem über die Tragödien eines Lebens und seine unfassbar beglückenden Momente gesprochen wird. Tom Kettle ist genau der Polizist, den man im Notfall bei sich haben wollen würde, um das Allerschlimmste zu überstehen und die Hoffnung auf Würde und Menschlichkeit nicht zu verlieren. Diese Fähigkeit hat er, weil er selbst durch etliche Höllen gegangen ist. "Jenseits aller Zeit" ist ein großer literarischer Text, dessen tiefe Wirkung und vielschichtigen Klang wir der vorzüglichen Übersetzung von Hans-Christian Oeser verdanken.
(Annemarie Stoltenberg, NDRkultur, 29. Oktober 2024)
Der Autor Sebastian Barry und seine Bücher sind ein Geschenk, sie wärmen und lassen erstarren im Angesicht von Schönheit und Schrecken der Welt. Er gewandet auch die Geschichte „Jenseits aller Zeit“ in eine kraftvolle, wunderbare Sprache. Findet Bilder, die ob ihrer Plastizität tief berühren und lange nachwirken. Formuliert so, dass augenblicklich Szenerien vorm inneren Auge erstehen. (...) Die Leser der deutschen Ausgabe können auf den herausragenden Übersetzer aus dem Englischen, darunter vieler Bücher aus Irland, Hans-Christian Oeser, vertrauen.
Eine Stelle gibt es im Buch, die komplett ohne Bilder, ohne poetische Wendungen auskommt mit nur einem lakonischen Wort. Da heißt es nur „Aber.“ Es trifft wie ein Beil, das Davor wird vernichtet, relativiert, infrage gestellt. Ein „Aber.“ sonst nichts. Ein ganzes Leben in einem Wort. Das kann Sebastian Barry. Er lässt seinen Charakter Tom Kettle in der Konfrontation mit der Vergangenheit immer näher an sich selbst heranpirschen. Als erzählte er sich seine eigene Geschichte.
Ein neues Buch eines großen Erzählers. Auf angenehm getöntes seidenglattes Papier gedruckt, das bei der Berührung besänftigt. Ein Trost im Angesicht des beschriebenen Unheils.
(Beate Lemcke, irish-berlin.de, Dezember 2024)
Barry gebietet über literarische Mittel von Rang, um diese Tragödie zu erzählen. Seine Dramaturgie lässt Raum für Idyllen, seine Sprache treibt dem Leser Tränen in die Augen oder verführt zu schallendem Lachen. Hans-Christian Oeser hat das sehr einfühlsam übersetzt, nichts von dem sprachlichen Reichtum geht verloren.
(Harald Loch, Aachener Zeitung, 22. Dezember 2024)
Ein hervorragend übersetztes und lesenswertes Buch,
(Liselotte Stalzer, Buchhandel beim Augarten, 20. Januar 2025)
Für den Booker Prize 2023 nominiert (übrigens die sage und schreibe bereits fünfte Nominierung für Sebastian Barry), ist Jenseits aller Zeit ein wahrer Strudel an Erinnerungen und Schicksal, der die Auswirkungen des sexuellen Missbrauchs ebenso zeigt, wie er auch hinabführt in die Seele eines Menschen, in dem sich Verlust und Tod schon zu sedimentieren scheinen. Einmal mehr fabelhaft übersetzt von Hans-Christian Oeser, ist dieser Text ein beeindruckendes Dokument jener Zerrüttung, der der systematisierte Missbrauch in Irland (und nicht nur dort) in Menschen angerichtet hat.
(Marius Müller, Buch-Haltung, 3. Februar 2025)
So wird der Roman dunkler und dunkler, er entwickelt einen Hallraum wie ein antikes Drama – und erweist sich, bei aller Komplexität, zunehmend als Pageturner. Sebastian Barry ist ein Meister des Informationsmanagements: Er legt Spuren, lässt uns manches erahnen, und wird ein Puzzleteil aufgedeckt, blättert man zurück, weil
auf einmal alles in einem anderen Licht erscheint. Dazu kommt eine evokative Sprache (virtuos übersetzt von Hans-Christian Oeser).
(Sieglinde Geisel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Februar 2025)
Der Steidl Verlag in Göttingens Düsterer Straße ist eine weltweit begehrte Adresse, wenn es um Kunst-Drucke geht. Das heißt um künstlerische Fotos, um Kunst- und Fotobücher, oft in unmittelbarer Koproduktion mit den Künstlern entstanden, um hochwertige Magazine etwa für das internationale Modegeschäft und dergleichen mehr.
Und daneben gibt es dort ein schlankes Literaturprogramm, dessen Anfänge etwa mit dem Gesamtwerk von Günter Grass sich der persönlichen Beziehung des Druckers Gerhard Steidl zum Autor und Grafiker Grass verdanken. Aktuell umfasst es einzelne Titel von deutschsprachigen Debütanten und eine relativ breite Auswahl von Übersetzungen, vor allem aus dem Englischen. Hier dürfen die Lektorin Claudia Glenewinkel, einst Studentin in Essen, und der preisgekrönte Übersetzer Hans-Christian Oeser, ehemals Lektor in Dublin, auch ihre Vorliebe für die irische Gegenwartsliteratur pflegen und etwa die großartige Claire Keegan verlegen.
Weniger Resonanz als sie hat bei uns bisher der Erzähler und Dramatiker Sebastian Barry gefunden, dessen Romane (immerhin schon sieben bei Steidl) oft irische und amerikanische Geschichte verflechten. Der achte spielt nun in der irischen Gegenwart, ist als Krimi mit moralischem Tiefgang angelegt und hat schon die Krimibestenliste angeführt. Er beginnt allerdings als eine Art Monodrama, quasi Beckett-light, Barry ist schließlich auch Stückeschreiber.
(Jochen Vogt, Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 9. Februar 2025)
